Kunstturnen männlich

Kunstturnen ist der Hochleistungssport an den olympischen Turngeräten. Die Männer turnen an den sechs Geräten Boden, Pauschenpferd, Ringe, Sprungtisch, Barren und Reck. Es gibt Mannschaftsbewerbe, Einzelmehrkämpfe und Einzelwettkämpfe an jedem einzelnen Gerät. Bei Olympischen Spielen und bei den Welt- und Europameisterschaften werden bei den Männern demnach in insgesamt acht Bewerben Titel und Medaillen vergeben.

Kraftstrotzende Gummimenschen?

Gute Kunstturner zeichnen sich besonders durch eine Vielzahl motorischer Fähigkeiten (Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Gewandtheit) und durch ein Höchstmaß an Koordination aus. Um an die Spitze gelangen zu können, sollte bereits frühzeitig mit geregeltem zielorientiertem Training begonnen werden. Denn das Höchstleistungsalter im internationalen Kunstturnen beträgt bei den Männern ca. 19 bis 30 Jahre – und man benötigt zumindest acht bis zehn Trainingsjahre, um kunstturnerisches Spitzenniveau erreichen zu können.

In Österreichs führenden Kunstturn-Leistungszentren kann unter guten Bedingungen mit professionellen Trainerexperten trainiert werden. Für die allergrößten Nachwuchshoffnungen werden begleitende Schulmodelle angeboten (URGs und BORGs für Spitzensportler), die den jugendlichen Athleten 2x tägliches Training ermöglichen. Trainingshallen mit fix aufgebauten Kunstturngeräten und/oder Schnitzelgruben gibt es in Österreich zurzeit rund zwanzig. Von diesen haben drei den Status als Bundesstützpunkt, acht sind Landesleistungszentren, die weiteren werden von Vereinen betrieben.

Die im männlichen Kunstturnen verwendeten Geräte:

Boden:

Die Wettkampfläche ist 12 x 12 m groß und besteht aus einer federnden Unterkonstruktion mit darauf liegenden Turnmatten. Eine Bodenkür beinhaltet hauptsächlich akrobatische Elemente (Überschläge, Salti u.ä.), die mit gymnastischen Teilen, Kraft-, Gleichgewichts- und Beweglichkeitselementen sowie Handständen und choreografischen Verbindungen kombiniert werden. Alles zusammen soll eine harmonische und rhythmische Gesamtheit bilden, die innerhalb von höchstens 70 Sekunden auf der gesamten Fläche zu absolvieren ist.

Schon 1987 leitete der Russe Valeri Ljukin mit dem ersten im Wettkampf gelungenen Dreifachsalto rückwärts in eine neue Dimension über. Heute werden geschraubte Doppelsalti sogar schon im Top-Nachwuchsbereich solide beherrscht. Eine weitere Möglichkeit, den Schwierigkeitswert der Übung zu erhöhen, ist die Kombination von hochschwierigen akrobatischen Sprüngen (Akrobatikverbindungen)..

Pauschenpferd:

Das umgangssprachlich meist „Seitpferd“ genannte Gerät heißt korrekter Weise „Pauschenpferd“ nach den beiden Griffen („Pauschen“) am Gerätkörper, ist 160 cm lang, 115 cm hoch und 35 cm breit.

Eine Pauschenpferd-Übung ist charakterisiert durch Pendelschwünge (d.h. Spreizen und Scheren) und verschiedene Arten von Kreisschwüngen mit gespreizten und geschlossenen Beinen in unterschiedlichen Stützpositionen und auf allen drei Pferdteilen (Mitte, beide Enden). Schwünge durch oder in den Handstand mit und ohne Drehungen sind erlaubt.

Alle Elemente dürfen nur schwungvoll und ohne jegliche Übungsunterbrechung geturnt werden. Kraft- und Halteteile sind nicht gestattet. Die Hände sind die einzigen Körperteile, die das Gerät berühren dürfen, die ganze Kür muss in gleichmäßigem, kontrolliertem Rhythmus vorgetragen werden.

Vor allem für die Kampfrichter ist das Pauschenpferd wohl das schwierigste Gerät: Minimale Unterschiede in der Aufstützart der Hände am Pferd können z.B. bereits deutliche Wertteilunterschiede bewirken. Und die einzelnen Elemente folgen so rasch aufeinander, dass nur ein Profi sie korrekt beurteilen kann.

Ringe:

Eine Kürübung an den Ringen besteht zu etwa gleichen Anteilen aus Schwung-, Kraft und Halteelementen. Sie werden in ihrer Verbindung durch den Hang, durch oder in den Stütz, durch oder in den Handstand ausgeführt, wobei das Turnen mit gestreckten Armen vorherrscht. Übergänge von Schwung- in Kraftelemente oder umgekehrt prägen die Übungen an diesem Gerät. Die beiden Ringe selbst hängen im Abstand von 50 cm an Drahtseilen an einem 575 cm hohen Gerüst in einer Höhe von 280 cm.

Heute werden an der internationalen Spitze stets mehrere höchstschwierige Kraftelemente direkt aneinander gereiht oder Schwungelemente sogar direkt in Krafthalten beendet. Daher sind an den Ringen nur die allerkräftigsten Turner erfolgreich.

Sprung:

Jeder Sprung beginnt mit dem Anlauf sowie dem Absprung vom Sprungbrett mit beiden geschlossenen Füßen (mit oder ohne Radwende). Es folgt eine kurze Stützphase mit beiden Händen auf dem Gerät. Der Sprung kann eine Drehung oder mehrfache Drehungen um die beiden Körperachsen (d.h. entweder Salti, Schrauben oder beides ineinander integriert) beinhalten. Der Sprung endet durch die Landung mit geschlossenen Beinen.

Zusätzlich zur technischen und körperhaltungsgemäßen Ausführung des Sprunges zählen auch die Höhe und Weite des Fluges nach dem Abdrücken vom Gerät für die Bewertung: Je höher und weiter, desto besser. Weltspitzenturner erreichen hinter dem Gerät Flugweiten von vier Metern und sogar mehr.

Das Sprunggerät selbst ist weltweit seit Jahresbeginn 2001 ein Tisch (der vom Österreicher Mag. Helmut Hödlmoser erfunden wurde). Das frühere Sprungpferd steht im Stall. Der Tisch ist 135 cm hoch, 95 cm breit und 120 cm lang. Die Anlaufbahn hat eine maximal erlaubte Länge von 25m. Für den Absprung wird ein Sprungbrett verwendet, dessen Wurfkraft deutlich unter jener eines Minitrampolins liegt.

Barren:

Die Kürübungen am Barren werden von Schwung- und von Flugelementen dominiert, die durch verschiedenartige Übergänge durch Stütz- und Hangpositionen verbunden werden. Kraftteile sind erlaubt, aber nicht gefordert.

Jeder der beiden parallelen Barrenholme ist 350 cm lang, 200 cm hoch (180 cm ab Mattenoberkante) und mittelmäßig elastisch (Holz mit Kunststoffkern). Den Abstand zwischen den beiden Holmen können die Turner zwischen 41 und 61 cm individuell wählen.

Reck:

Eine Reckübung muss eine dynamische Präsentation sein, die ausschließlich aus fließend verbundenen Drehungen, Schwung- und Flugelementen besteht, die abwechselnd stangennah und mit weitem Abstand zur Reckstange und in verschiedenen Griffvarianten ausgeführt werden.

Das Gerät ist 280 cm hoch (260 cm ab der Mattenoberkante) und 240 cm breit. Die 2,8 cm dicke Stange besteht aus bruchsicherem Edelstahl, was auch notwendig ist: Bei komplizierten Flugelementen und Abgängen müssen vom Turner – aber natürlich auch vom Gerät – Zugkräfte bis zum Achtfachen des Körpergewichts gehalten werden.

In der jüngeren Vergangenheit gewann das Reckturnen durch die Aufnahme von immer mehr und immer waghalsigeren Flugelementen (z.B. Doppelsalti mit Schrauben udgl. zum Wiederfangen) noch mehr Artistik und Attraktivität.